Barriere-FREI-Tag im April: Kirchenbesuch

Mann im Rollstuhl sitzt in Gang einer Kirche neben den Sitzbänken, mit Blick aufs Kreuz

Lasset – nicht nur – die Kinder zu mir kommen!

Reicht eine Rollstuhlrampe, und schon ist eine Kirche barrierefrei? Wie „singt“ ein Gebärdenchor? Wie erleben Menschen mit Sehbeeinträchtigung oder mit kognitiver Einschränkung den Gottesdienst? Was ist, wenn zwar die Kirche dank baulicher Maßnahmen rollstuhlgerecht ist, aber der Weg dorthin nicht?

Fokus Mensch hat den Karfreitag zum Anlass genommen, sich die Barrierefreiheit in den katholischen Kirchen in Oberösterreich näher anzusehen.

Wesentliche Voraussetzung für eine barrierefrei Kirche – nicht nur als Gebäude, sondern als Institution gedacht – ist, dass sich die Kirchengemeinde und die Verantwortlichen der Bedeutung von Barrierefreiheit bewusst sind. Jeder Mensch soll den eigenen Wünschen entsprechend ungehindert am religiösen Leben teilhaben können, unabhängig von körperlichen oder kognitiven Beeinträchtigungen. Bei der Diözese Linz, die für die katholischen Kirchen in Oberösterreich zuständig ist, ist Andrea Peherstorfer als Leiterin des Behindertenreferats ein Sprachrohr für Menschen mit Behinderung. „Bewusstseinsbildung ist die zentrale Aufgabe meiner Arbeit. Alle Menschen müssen bei Kirche mitgedacht werden, Inklusion muss gelebt werden. Dass Barrierefreiheit dabei ein wichtiges Thema ist, versteht sich von selbst.“ So müsse unter anderem auf die physische Barrierefreiheit der Kirchengebäude geachtet werden, insbesondere dann, wenn Um- oder Neubauten vorgenommen werden, so Peherstorfer.

Bauliche Maßnahmen

Hinsichtlich baulicher Maßnahmen ist die Rollstuhlrampe der Klassiker. „Optimal wäre in Folge noch der Einbau eines automatischen Türantriebs bzw. eines kraftunterstützenden Servo-Antriebs, sowie optische Kontraste und taktile Kennzeichnung der Türe. Wo dies nicht möglich ist, helfen andere kleine Tricks dabei, Türen barrierefrei zu gestalten“, weiß Helene Fritsch, Mitarbeiterin von Fokus Mensch. Aufgrund ihrer Gehbehinderung kennt sie die Alltagstücken, die geschlossene Türen mit sich bringen, sehr genau.

Wo elektronische Antriebe aus Kosten- oder anderen Gründen nicht umgesetzt werden können, bieten andere Details eine Erleichterung beim Bedienen einer Tür: „Menschen, die Rollstühle oder Rollatoren benutzen oder einen Kinderwagen mitführen, freuen sich über einer seitlichen Anfahrbereich von mindestens 50 cm neben dem Türdrücker. Dadurch wird die notwendige Bewegungsfläche zum Bedienen der Tür gesichert. Bogen- oder U-förmige Griffe sind mit einer Hand bedienbar und gut zu umfassen. Bei Griffstangen sollten eine vertikale und eine horizontale Alternative angebracht werden, da bei deren Bedienung unterschiedliche Bewegungsabläufe erforderlich sind“, schildert Helene Fritsch.

Außerdem ist es wichtig, dass ausreichend Stellplätze für Rollstuhlfahrer oder zugängliche Sitzplätze für Menschen mit Gehbehinderungen vorhanden sind. Auch auf die Gestaltung von barrierefreien Sanitäranlagen sollte nicht vergessen werden, um allen Menschen einen uneingeschränkten Kirchenbesuch zu ermöglichen.

Er-höre mich!

Eine induktive Höranlage oder Gebärdensprachdolmetscher tragen wesentlich dazu bei, dass Menschen mit Hörbehinderungen aktiv am Gottesdienst teilnehmen können. Positive Beispiele hierfür: Es gibt regelmäßig eine Übersetzung der Heiligen Messe in Gebärdensprache in der Pfarrkirche Schwanenstadt und auch in der Stadtpfarrkirche in Linz/Urfahr.

In letzterer Pfarre gibt es auch einen Gebärdenchor, der als besonderes Highlight bei festlichen Gottesdiensten auftritt. Hörende und Gehörlose gebärden hier gemeinsam die jeweiligen Liedtexte synchron zum Gemeindegesang. Durch dunkle Kleidung und die dazu kontrastierenden weißen Handschuhe werden die Gebärden besonders deutlich sichtbar gemacht. Derzeit ist der Gebärdenchor der Stadtpfarrkirche in Linz/Urfahr noch der einzige seiner Art in Österreich.

Bei einer induktiven Höranlage werden Töne für gehörbeeinträchtigte Menschen zugänglich gemacht und ohne störendes Hintergrund-Rauschen wiedergegeben.

Ein Symbolbild bestehend aus einem blauen Quadrat mit stilisiertem, weißem Ohr aufgezeichnet, durch das schräg ein weißer Balken verläuft oder ein blaues Quadrat mit weißem Kreis mit Schlingen und dem runden Zeichen für Schwerhörigkeit zeigt an, dass hier so eine Anlage eingebaut ist.

Ein Hinweis in eigener Sache: Es gibt auch mobile Induktive Höranlagen, Fokus Mensch bietet auf Anfrage eine zum Verleih an.

Daten zu baulicher Barrierefreiheit hat Maria Krone, Verantwortliche für die Lange Nacht der Kirchen in Oberösterreich, erhoben. „Bei den rund 40 Orten, die mit ihren Kirchen an der ‚Langen Nacht‘ teilnehmen, sind laut deren Rückmeldung deutlich mehr als die zwei Drittel der Kirchen barrierefrei gestaltet. Dabei geht es aber nicht nur um eine Rollstuhlrampe – so sind etwa knapp die Hälfte aller Kirchen mit einer Induktionsanlage ausgestattet“, so Maria Krone.

Doch der klarste Ton bringt nichts, wenn der Inhalt des Textes nicht erfassbar ist. Für Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung sind komplexe Texte, die nur vorgetragen und nicht veranschaulicht werden, oft eine Herausforderung. „Es gibt die Bibel mit ihren Evangelien in leichter Sprache. Diese können etwa bei Begegnungsgottesdiensten eingesetzt werden“, informiert Peherstorfer.

Es werde Licht!

„Grundsätzlich ist ein Kirchenbesuch mit Sehbehinderung kein allzu großes Problem“, schildert Susanne Breitwieser, Obfrau des Blinden- und Sehbehindertenverbandes Oberösterreich. Wie sie von ihren Vereinsmitgliedern weiß, pflegen die Kirchenbesucherinnen und -besucher grundsätzlich ein gutes Miteinander und unterstützen andere, wo notwendig, gerne. „Die Lichtverhältnisse in Kirchen sind für sehbeeinträchtige Menschen eher problematisch, weil es aufgrund mangelnder allgemeiner Ausleuchtung oft viel zu finster in den Gebäuden ist. Das ist aber oft den historischen Gebäuden geschuldet“, zeigt Breitweiser Verständnis.

Mehr Barrierefreiheit hinsichtlich Lesbarkeit kann mitunter die Schriftgröße eines gedruckten Textes bieten: „So ist zum Beispiel das Gotteslob in Großdruck und A4-Format erhältlich“, sagt Andrea Peherstorfer.

Gemeinsam auf den Weg machen

Doch auch wenn alle für den jeweiligen Menschen notwendigen baulichen Maßnahmen beim Kirchengebäude erfüllt sind, kann der Teufel im Detail stecken. Was ist etwa, wenn jemand eine barrierefreie Kirche besuchen möchte, aber der Weg dorthin aufgrund unterschiedlicher Hürden für die jeweilige Person nicht bestreitbar ist?

„Am besten ist es, wenn man in diesem Fall beim jeweiligen Pfarrsekretariat anruft und Bescheid sagt, was genau jemand braucht. Wir sind immer bemüht, mögliche individuellen Hindernisse gemeinsam aus dem Weg zu räumen“, berichtet Andrea Mayer von der Linzer Pfarre Christkönig aus ihrem Arbeitsleben. Dabei ist die Pfarrverwaltung nicht auf sich gestellt, denn: „Es gibt immer wieder Menschen, die gerne ehrenamtlich unterstützen“, so Mayer. Auch bei ihrem vorherigen Arbeitseinsatz in der Pfarre Linz-Pöstlingberg gab es öfters Unterstützungsanfragen, und: „Gemeinsam haben wir immer eine gute Lösung gefunden“, zeigt sie sich erfreut.


Über den Barriere-FREI-Tag

Barrieren beginnen im Kopf, deshalb ist Bewusstseinsbildung der erste Schritt auf dem Weg zu mehr Barrierefreiheit. Im Rahmen des Barriere-FREI-Tags nimmt sich FOKUS MENSCH jeden ersten Freitag im Monat einer Thematik zur Förderung der Barrierefreiheit an. Best Practice Beispiele, Inputs von Betroffenen, positive Aktionen, Info-Veranstaltungen, aber auch unterhaltsame Mitmach-Erlebnisse mit Aha-Effekt sind Teil unserer Serie.

Über Fokus Mensch

FOKUS MENSCH (Trägerverein OÖZIV) setzt sich als Interessenvertretung für die Anliegen von Menschen mit Behinderung sowie deren Angehörige ein.

Neben den zahlreichen Angeboten, die von Ehrenamtlichen in vielen Regionen Oberösterreichs organisiert und durchgeführt werden, sind wir als Träger von Einrichtungen mit den Angeboten Wohnen, Arbeiten und Begleitung für Menschen mit Behinderung tätig. Fokus Mensch hat ein Ziel – die ganzheitliche Inklusion. Denn: Selbstbestimmt und selbstständig das Leben zu meistern ist der gemeinsame Wunsch von uns Menschen.