Vor wenigen Tagen ist in München die fünfte Jahreszeit zu Ende gegangen – die Oktoberfest-Zeit! Das wohl größte Zeltfest Europas machte den Auftakt für viele weitere Zeltfeste, so auch in Oberösterreich. Grund genug, unseren Berater
Richard Schaefer um einen Lagebericht vom Oktoberfest zu bitten! Er ist praktisch mit der Wies’n aufgewachsen und schildert in einem Gastbeitrag seine Erfahrungen hinsichtlich Barrierefreiheit.
Vorab noch einige Hinweise für Veranstalter, die Fokus Mensch (nicht nur) aus dem Gastbeitrag von Richard Schaefer gewonnen hat, wie sie bei ihren Zeltfesten mehr Barrierefreiheit erreichen können:
- Kennzeichnung barrierefreier Angebote im Übersichtsplan
- Barrierefreie Zugangswege
- Rampen legen
- Vermeidung von Bodenschwellen
- Barrierefreie WC-Anlagen (auch mobile WC-Boxen)
- Tisch-Plätze für Rollstuhlfahrer (Bänke nur auf einer Seite)
- Bar-Absenkung
- Absenkbare Stehtische
- Ausreichende Behinderten-Parkplätze
- Ruhigere Zonen schaffen
- Speisekarten in großer, kontrastreicher Schrift
- Beschilderung mit Symbolbildern
- Personal (Servierdienst, ggf. bei Fahrgeschäften, Info-Stand, etc.) hinsichtlich Unterstützung für Menschen mit Behinderung sensibilisieren
„O’zapft is! – Zur Wies´n 2023“ hieß es wieder: Heuer fand das 188. Oktoberfest statt und dauerte vom 16. September bis 3. Oktober 2023.
Als zu Fuß gehender war ich oft genug auf da Wies´n, aber nachdem ich einen Unfall hatte, durch den ich unter anderem meine komplette Querschnittlälmung erlangte, kehrte ich der Wies’n für mehrere Jahre den Rücken. Doch das Oktoberfest ließ mich nicht los, und so wollte ich einmal ausprobieren, ob sich ein Besuch auch für Menschen mit Behinderung empfiehlt.
Als ehemaliger Mingana (Münchner) habe ich mich für mein Experiment, trotz zwei Begleiterinnen, entschlossen zur Mittagszeit auf die Wies´n zu fahr´n! Ebenfalls aus meinem „früheren Leben“ weiß ich um das extreme Gedränge an dem U-Bahnhof Theresienwiese. Sich im Rollstuhl durch die extremen Menschenmassen zu bewegen wollte ich mir nicht antun, daher habe ich einen etwas längeren, aber dafür weitaus bequemeren Weg über den Hauptbahnhof gewählt. Auch hier quollen die Menschenmassen, die mit den Tagesfahrten mit den Zügen in München einfallen, denselben Weg! Es galt, Ruhe zu bewahren und gegebenenfalls auf sich aufmerksam zu machen.
Wir begaben uns zuerst zum Infostand in der Nähe des U-Bahnhofs, um uns einen Übersichtsplan zu besorgen, bei dem auch barrierefreie Fahrgeschäfte eingezeichnet sind. Das Oktoberfest verfügt über drei Bereiche: die Straße der Bierzelte, die Straße der Fahrgeschäfte und die abgegrenzte „Oide Wies´n“.
Facharbeitskreis Tourismus im Behindertenbeirat
Seit dem Jahr 2006 setzt sich Facharbeitskreis Tourismus des Behindertenbeirats München dafür ein, dass die Wies´n barrierefreier wird. Was können denn zum Beispiel Rollstuhlfahrer auf der Wies´n unternehmen? Zunächst können sie bei allen großen Festzelten, auch auf der Oiden Wies´n, über Rampen in den Garten und ins Bierzelt hineinfahren. In den Gärten und den Zelten sind jeweils zwei Tische für Rollstuhlfahrer und ihre Begleitpersonen beschriftet.
Wir probierten auch die „Oide Wies´n“ aus. Hierbei handelt es sich um einen eigens abgetrennten Bereich, zu dem man einen Eintritt zahlen muss (entfällt ab einem Grad der Behinderung von 50 Prozent). Im „Traditionszelt“ steht an zwei Tischen je nur eine Bank. Dort findet man als Rollifahrer so gut wie immer Platz und oft zusätzlich a paar mehr oder weniger „echte“ Boar´n (Bayern) zum Zuprosten und Ratschen.
Barrierefreie WCs
Jo, aber wenn ma oben a Bier ´reinschüttet muss es natürlich a wieder wo ´raus! Die besten barrierefreien WCs von ganz München gibt’s in den großen Zelten in der Straße der Bierzelte! Jedes Zelt hat ein WC nach DIN-Vorschrift. Die meisten öffnen mit dem Euro-Schlüssel, ansonsten ist hilfreiches Personal in der Nähe. Auf der Wies´n und der Oiden Wies´n zusammen gibt es ca. 25 barrierefreie WCs, man muss also nirgends lange anstehen.
Zurück auf der „normalen“ Wies´n haben wir auch bei einigen kleinen Zelten Rampen gesehen, meist jedoch zu einem Nebeneingang. Reservierte Plätze für Rollstuhlfahrer sind in den kleinen Zelten (wie zum Beispiel im „Kaffeehaus“) aber nicht vorgesehen. Als Rollstuhlfahrer muss man dann (nicht immer zur Freude des Servierpersonals) an der Stirnseite eines Tisches sitzen.
Das einzige „Fahrgeschäft“, das ich in Anspruch nahm, war das Riesenrad: 50 Meter hoch – 40 Kabinen, davon zehn rollstuhltauglich! Wer den Rollstuhl auch nicht mit Hilfe verlassen kann, dem empfehle ich dieses Riesenrad. Der Rollstuhl darf jedoch nicht breiter als 75 cm sein, damit er durch die Tür passt. Ich wurde von einem Mitarbeiter an der Kassa abgeholt und durch einen Nebeneingang auf die Rückseite des Riesenrads gebracht! Dort brachte mich ein Mitarbeiter des Betreibers über eine kleine Rampe sicher in die Kabine, in der zwei Rollstühle mit Blickrichtung auf die Bierzeltstraße mitfahren können.
Gerade jüngere Besucher wollen sich natürlich austoben und auch die wildesten Fahrgeschäfte nutzen. So weit wie möglich hilft einem das Personal dabei. Aber man muss sich schon gut überlegen, ob man die körperlichen Belastungen auch beim fünften oder sechsten Looping noch aushält.
Blaue Wege führen in die Barrierefreiheit
Wenn ich den kürzesten Weg zu einem bestimmten Zelt oder Fahrgeschäft suche, bietet die Seite: www.tourismus-barrierefrei-muenchen.de einen guten Einstieg! Am Ende des Textes ist immer der Lageplan aufgeführt. Dieser liegt auch immer gedruckt in der Stadtinformation im Rathaus am Marienplatz auf. Jeder barrierefrei zugängliche Betrieb, auch der kleinste Bierausschank, ist da blau umrandet und jedes barrierefreie WC eingezeichnet.
Fotos (© Richard Schaefer)